Schwangerschaftsdiabetes - Ernährung Schwangerschaft



Gestationsdiabetes (Schwangerschaftsdiabetes)

Ein Gestationsdiabetes bedingt für Mutter und Kind eine Vielzahl akuter sowie langfristiger Risiken. Neben einer frühzeitigen Diagnose ist eine adäquate Therapie notwendig. Therapieziel ist das Erreichen normaler Blutzuckerwerte. Diese sollten nüchtern bzw. präprandial bei 90 mg/dl (5,0 mmol/l), 1 Stunde nach der Mahlzeit bei 140 mg/dl (7,8 mmol/l) und 2 Stunden postprandial bei 120 mg/dl (6,7 mmol/l) liegen. Bei einer Insulintherapie sollte zusätzlich ein präprandialer Blutzuckerwert von 60 mg/dl bzw. 3,3 mmol/l nicht unterschritten werden. Begünstigende Faktoren einen Gestationsdiabetes zu entwickeln, sind Adipositas und eine familiäre Disposition der Mutter.

Die Ernährungsberatung der schwangeren Diabetikerin verlangt besondere Aufmerksamkeit. Für die Feinanpassung der Insulindosis ist sowohl die Menge der Kohlenhydrate als auch die glykämische Wirkung der Lebensmittel zu berücksichtigen, wenn normale Blutzuckerwerte erreicht werden sollen.

Als Gestationsdiabetes (GDM) wird eine erstmals in der Schwangerschaft aufgetretene oder diagnostizierte Glucosetoleranz-Störung bezeichnet. Diese Definition schließt auch die Möglichkeit einer Erstmanifestation eines Typ-1-Diabetes oder Typ-2-Diabetes ein. Die Grenzen für die Glucosetoleranz-Störung sind nicht einheitlich und orientieren sich mehr am Risiko der Mutter, postpartal einen manifesten Diabetes mellitus zu entwickeln. Gestationsdiabetes ist eine weltweit zunehmende Erkrankung und eine der häufigsten Schwangerschaftskomplikationen. International schwanken die Angaben zur Häufigkeit des GDM von 1-20 %. In Deutschland geht man von einer Häufigkeit von etwa 2 % aus (6).

Risiken für die Mutter

Die Häufigkeit mütterlicher, besonders aber kindlicher Komplikationen wächst mit den mütterlichen Blutglucosewerten. Ein Schwellenwert für das Auftreten von Komplikationen existiert nicht. Schwangere mit einem GDM haben im Vergleich zu normalen Schwangeren ein erhöhtes Risiko für Harnwegsinfekte, schwangerschaftsinduzierte Hypertonie und Präeklampsie/ Eklampsie (7). Bei der Geburt stehen eine erhöhte Rate an Kaiserschnitt-Entbindungen und an vaginal-operativen Entbindungen im Vordergrund. Nach Schwangerschaften mit GDM besteht ein Risiko von 50 % für das erneute Auftreten einer Glucosetoleranz-Störung in einer folgenden Schwangerschaft. Das Risiko für einen manifesten Diabetes mellitus liegt für diese Frauen 10 Jahre postpartal bei 40-50 % und wird noch erhöht durch z.B. Insulinpflichtigkeit, einen GDM in einer früheren Schwangerschaft oder die Diagnose eines GDM vor der 24. Schwangerschaftswoche.

Risiken für das Kind

Unter Neugeborenen von Müttern mit GDM ist die Rate von Makrosomien mit der Gefahr einer Schulterdystokie, neonataler Hypoglykämie, Hypokalzämie, Polyglobulie, Hyperbilirubinämie und Atemnotsyndrom erhöht. Als Ursache gilt das erhöhte transplazentare Glucoseangebot der Mutter an den Fötus, dass zu gesteigerter fetaler Insulinproduktion mit nachfolgender Beta-Zell-Hypertrophie führt.

Bei unbehandeltem GDM drohen intrauteriner Fruchttod bzw. eine Fehlgeburt. Eine nicht genetisch bedingte Disposition zum Diabetes durch eine intrauterine funktionelle und morphologische Schädigung der fetalen ß-Zellen wurde durch Langzeitbeobachtungen nach fetalem Hyperinsulinismus nachgewiesen (stoffwechselvermittelte Teratogenese). Kinder von Müttern mit unzureichend behandeltem GDM haben ein erhöhtes Risiko, bereits in der Pubertät oder im frühen Erwachsenenalter Übergewicht und/ oder eine Glucosetoleranz-Störung bzw. einen Diabetes mellitus zu entwickeln.

Diagnose

Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft empfiehlt auf Grund dieser weitreichenden Akut- und Langzeitfolgen bei jeder Schwangeren ein Screening auf GDM, entweder mit einem einzeitigen oGTT mit 50 g Glucose oder einem zweizeitigen oGGT-Screening mit 50 g und 75 g Glucose, durchzuführen. Die Bestimmung der Uringlucose als Screening-Parameter ist überholt. Eine Untersuchung sollte zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden.

Bereits im ersten Trimenon sollte das Screening erfolgen, wenn einer der folgenden Risikofaktoren vorliegt: BMI über 27 kg/m2; Diabetes bei Eltern oder Geschwistern; GDM in einer vorangegangenen Schwangerschaft; Gewicht eines vorangegangenen Kindes über 4 500 g, vorangegangene Totgeburt. Bei negativem Ergebnis ist es empfehlenswert das Screening nochmals in der 24.-28. und 32.-34. Schwangerschaftswoche zu wiederholen.

Therapieziele

Die kapillären Blutglucose-Werte sollten nüchtern bzw. präprandial bei 90 mg/dl (5,0 mmol/l), 1 Stunde nach der Mahlzeit bei 140 mg/dl (7,8 mmol/l) und 2 Stunden postprandial bei 120 mg/dl (6,7 mmol/l) liegen.

HbA1c oder Fructosamin können zur Beurteilung der Stoffwechseleinstellung wegen der zu langsamen Ansprechbarkeit als retrospektiver Parameter nur eingeschränkt herangezogen werden. Sie sollten aber neben den Blutglucose-Selbstkontrollwerten der Patientin als patientenunabhängiger Parameter, zumindest bei der Diagnosestellung, bestimmt werden. Die aktuelle Einstellung muss nach den Blutglucose-Selbstkontrollwerten erfolgen.

Eine Stoffwechsel-Einstellung mit Blutglucose-Mittelwerten < 87 mg/dl (4,8 mmol/l), errechnet aus 3 prä- und 3 postprandialen Werten eines Tagesprofils, führt zu einer Verdopplung des Risikos für hypotrophe Feten und sollte vermieden werden.

Die Schwangere sollte umgehend in die Technik der Blutglucoseselbstmessung eingewiesen werden. Sinnvoll sind 4 bis 6 Blutglucosemessungen pro Tag. Die Ergebnisse sollten dokumentiert und bei den etwa 14-tägigen Vorstellungen beim Arzt vorgelegt werden.

Diättherapie

Nach Diagnose eines GDM hat sofort eine Überweisung des Frauenarztes in eine Diabetes-Schwerpunkteinrichtung zu erfolgen. Dort sollte unverzüglich mit der Behandlung begonnen werden.

1. Am Anfang einer Therapie steht immer eine Ernährungsberatung durch eine geschulte Fachkraft.
2. Empfohlen wird eine Ernährung, die eine für die Bedürfnisse der Schwangerschaft adäquate Kalorienmenge und Zusammensetzung enthält.
3. Die Kostverordnung sollte die persönlichen Vorlieben, den Tagesrhythmus und das Körpergewicht berücksichtigen.
4. Die Kostzusammenstellung entspricht den Ernährungsempfehlungen für schwangere Typ-2-Diabetikerinnen (Tab. 1).

Tab. 1: Moderne Ernährungsempfehlungen für Schwangere mit Diabetes mellitus
Energie
  •  Es wird empfohlen, den Energiebedarf gleichmäßig über die gesamte Schwangerschaft, durch eine zusätzliche Aufnahme von 255 kcal/1100 kJ pro Tag zu decken. Eine gezielte Gewichtsabnahme ist zu vermeiden; jedoch ist eine anfängliche leichte Gewichtsreduktion von 1/2 kg unbedenklich.
  • regelmäßige kleine anstatt wenige große Mahlzeiten.
Fett:
  • Fette sollten 30 bis höchstens 35 % der Gesamtenergiemenge ausmachen. Die Aufnahme gesättigter Fettsäuren sollte bei < 10 % der Gesamtenergiezufuhr liegen.
  • der Anteil mehrfach ungesättigter Fettsäuren sollte 10 % nicht überschreiten.
  • einfach ungesättigte Fettsäuren sollten zusammen mit Kohlenhydraten die Hauptenergiequelle sein.
  • Cholesterinaufnahme < 300 mg/d.
Eiweiß:
  • Die Eiweißzufuhr sollte auf 15 % der Tagesgesamtenergie angehoben werden.
Kohlenhydrate:
  • Die Kohlenhydratmenge sollte nicht auf unter 40 % der Tagesgesamtenergie vermindert werden, um eine Ketose zu vermeiden. Die Kost sollte nach Kohlenhydrat- Einheiten (KHE) quantifiziert werden. Je nach Sollgewicht sind 18-22 KHE meist ausreichend.
  • bedarfsgerechte Zufuhr an Calcium, Jod, Eisen, Folsäure.

Insulintherapie

Kann das Einstellungsziel nach 2 Wochen diätetisch nicht erreicht werden, ist Insulin indiziert. Anhaltspunkt für die Einleitung der Insulintherapie sind mehrfache Überschreitungen der Zielwerte an mind. 2 Tagen innerhalb einer Woche. Die Insulintherapie soll individuell begonnen und von der Schwangeren selbst durchgeführt werden. Dazu bietet eine intensivierte Insulintherapie in vielen Fällen die notwendige Flexibilität. Die Insulinanaloga InsulinAspart oder InsulinGlargin sollten nach aktuellem Kenntnisstand wegen fehlender Erfahrungen nicht verordnet werden. Das Insulinanalogon LisPro (Humalog ®) kann nach Aufklärung der Schwangeren eingesetzt werden. Orale Antidiabetika und Sulfonylharnstoffe wie Glibenclamid gelten heute sowohl während der Schwangerschaft als auch in der Stillzeit als kontraindiziert.

Nachsorge

Der GDM bildet sich nach der Schwangerschaft meistens aber nicht immer wieder zurück. Bei Wöchnerinnen mit insulinpflichtigem GDM sollte am 2. Tag nach der Geburt eine Blutglucose-Bestimmung durchgeführt werden. Ergeben die kapillären Werte > 110 mg/dl (> 6,1 mmol/l) nüchtern und/oder > 200 mg/dl (> 11,1 mmol/l) postprandial sollte sich unmittelbar eine diabetische Weiterbehandlung anschließen. Bei negativen Ergebnissen sollte der Test nach 6-12 Wochen wiederholt und dann regelmäßig mindestens alle 2 Jahre durchgeführt werden.

Literatur

1. Toeller M: Ernährungstherapie bei Diabetes mellitus. Aktuel Ernaehr Med 27 (2002) 101-107
2. Deutsche Diabetes Gesellschaft: Diagnostik und Therapie des Gestationsdiabetes. Empfehlungen des Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Schwangerschaft der DDG 2001
3. Standl E, Mehnert H: Das große TRIAS-Handbuch für Diabetiker. Thieme Verlag, Stuttgart (2001) 291-293
4. Kasper H: Ernährungsmedizin und Diätetik. Urban & Fischer Verlag, München (2000) 271
5. Deutsche Gesellschaft für Ernährung (Hrsg.): DGE-Beratungs-Standards: Ernährung in der Schwangerschaft. 2001
6. King H: Epidemiology of Glucose Intolerance and Gestational Diabetes in Women of Childbearing Age. Diabetes Care 21 Supp. 2 (1998) B9-B13
7. Weiss P, Walcher W, Scholz H: Der vernachlässigte Gestationsdiabetes: Risiken und Folgen. Geburtsh Frauenheilk 59 (1999) 535-544